Dienstag, 1. Juli 2014

Aus Indien in die Heide

Die weißen Blütenkerzen, die so groß wie ein Mais-
kolben sind, ziehen die Blicke auf sich.
Immer wieder, wenn wir mit Gästen übers Gelände und den Hang hinauf zu den Pferdeweiden gehen, bekommen wir dieselbe Frage gestellt: Was sind denn das für interessante Blumen, die da so üppig wuchern, jetzt Anfang Juli wunderschöne, große Blütenkerzen und im Herbst dicke, schwarze Früchte bilden? Wenn wir dann erklären, dass es sich um die Indische Kermesbeere (Phytolacca acinosa) handelt, sind die Gäste auch nicht schlauer als vorher. Von dieser seltsamen Pflanze hatte bislang noch keine(r) jemals etwas gehört.
Es war vor einigen Jahren im Spätsommer, da wunderten wir uns, als wir bei uns im Vorgarten unseres Gästehauses diese uns bis dahin unbekannte Pflanze entdeckten. Mit ihren schwarzen Früchten (die man fast mit Brombeeren verwechseln könnte, würden sie nicht an der maiskolbenartig geformten Blütenkerze sitzen) sah sie schon sehr exotisch aus. So eine Pflanze hatten wir nie zuvor gesehen. Wie war sie in unseren Garten gekommen? Wahrscheinlich mit einem Vogel. Vor allem Amseln mögen die schwarzen Beeren.
Wir wollten mehr über diese Pflanze wissen und googelten. Irgendwann haben wir dann tatsächlich den Namen herausgefunden. Die Indische Kermesbeere (Phytolacca acinosa) kommt ursprünglich aber nicht nur in Indien vor, sondern ist auch in China, Japan, Nord- und Südkorea, Bhutan, Myanmar und Vietnam verbreitet. Ihre Blätter werden, solange sie noch jung sind, als Gemüse, ihr Samen als Schneckenmittel verwendet. In der traditionellen chinesischen Medizin wird die Indische Kermesbeere zur Behandlung von Tumoren, Ödemen und bei bronchialen Beschwerden eingesetzt, in Tibet bei schmerzenden Verletzungen. Im Gegensatz zur Amerikanischen Kermesbeere (Phytolacca americana) enthält die indische Variante nur geringe Mengen der giftigen Triterpensaponine.
35 Arten dieser Pflanze gibt es auf der Erde. Der botanische Name Phytolacca ist zusammengesetzt aus dem griechischen Woprt phyton (Pflanze) und dem lateinischen Wort lacca (Lack) und bezieht sich auf das Aussehen der Beeren. Der deutsche Name stammt vom persischen Wort kermes für rot.
Irgendwann ist die Kermesbeere aus unserem Garten verschwunden. Unsere Hof- und Tiersitterin hatte sie, als wir im Urlaub in Schweden waren, mit Unkraut verwechselt, und ausgerissen. Im Sommer 2012 tauchte die Kermesbeere dann plötzlich wieder auf, und zwar direkt neben dem Komposthaufen, auf dem die ausgerissene Pflanze aus dem Vorgarten des Gästehauses geworfen worden war. Jetzt, im dritten Jahr an ihrem neuen Standort, hat sie sich schon etliche Quadratmeter erobert und prächtige Blütenkerzen ausgebildet, an denen bald die Beeren reifen werden.
Wir finden es total spannend, solche Pflanzen zu entdecken und ihre Herkunft und Geschichte zu recherchieren. Natürlich muss man es auch immer ein wenig kritisch sehen, wenn sich Exoten von anderen Kontinenten hier bei uns einen neuem Lebensraum erobern und dabei möglicherweise heimische Pflanzen verdrängen. Aber trotzdem freun wir uns, dass unser indischer Einwanderer überlebt hat und nun am Kompost prächtig gedeiht.

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